2.5.c Meine persönliche Erfahrung mit der schmerzhaften Selbsterkenntnis
Ich befand mich in einer Phase, in der ich zugegebenermaßen etwas depressiv war. Innerlich ging es mir nicht gut. Es war Winter, ich arbeitete seit Langem zu viel und war erschöpft. Die äußere Situation war kurzfristig nicht zu ändern, und ich hatte keine Perspektive, dass es in absehbarer Zeit besser werden würde. In solchen Lebensphasen werde ich leicht depressiv, da ich von Natur aus dazu neige.
In meiner Meditation tauchten ständig negative Gedanken über andere Menschen auf. Mit der Zeit wurde mir immer klarer, was in mir vorging: Ich fühlte mich schlecht und versuchte, mich besser zu fühlen, indem ich andere innerlich abwertete und kritisierte. Nach und nach kamen auch Erinnerungen an Situationen aus meiner Vergangenheit hoch, in denen ich genau dasselbe getan hatte.
Das Bild, das mir von mir selbst gezeigt wurde, füllte mein gesamtes Inneres aus. Es schien, als hätte ich mein ganzes Leben nichts anderes getan, als andere abzuwerten, um mich selbst aufzuwerten. In einer Psychotherapie hätte man nun am Selbstwertgefühl gearbeitet. Doch auf meinem Gebetsweg erschloss sich mir etwas anderes: Mir wurde schmerzhaft meine innere Verhaltensweise bewusst. Ich war entsetzt – ja, sogar angeekelt von meinem eigenen Vorgehen. Ich hatte die Nase voll von mir selbst.
Ich hatte bereits viele Jahre Psychotherapie hinter mir, bis mir Psychologen sagten, es bringe nichts mehr – ich müsse einfach damit leben. Zudem lag fast 40 Jahre eines religiösen Weges hinter mir, und dennoch war ich immer noch so. Ich verlor die Hoffnung, mich in diesem Leben noch verbessern zu können. Mit all meiner angeblichen Weisheit als erfahrener Familientherapeut war es mir nicht gelungen, mich tiefgreifend genug zu heilen und zu verändern. Es fühlte sich an, als würde ich innerlich zermürbt.
Doch genau an diesem Punkt geschah etwas Bedeutendes. Das größte Glück meines inneren Lebens öffnete sich für mich: Ich wurde bereit, mich ganz in Gottes Hand zu legen. Ich bat Gott, mich zu verändern – und es begann damit, dass ich das Wunder seines Wirkens erfahren durfte.