2.6.e Das Ego auf der Ebene der Gefühle

Nach der Ebene der Gedanken folgt die Ebene der Gefühle. Ähnlich wie beim gedanklichen Teil des Egos sind wir mit unseren Gefühlen identifiziert. Wir erleben sie so, als wären wir unsere Gefühle. Sie loszulassen ist der nächste, tiefere Schritt.

Unser natürliches Bestreben ist es, uns ständig gut zu fühlen – so sind unser Körper und Gehirn konditioniert. Auch unser ursprüngliches Gemüt genießt es, sich gut zu fühlen, jedoch nicht um jeden Preis. Es stellt die Liebe an oberste Stelle.

Im menschlichen Leben ist es unmöglich, sich dauerhaft gut zu fühlen. Wie das Wetter wechseln unsere Umstände und damit auch unser Gefühlszustand ständig. Obwohl wir das wissen, neigen wir dennoch dazu, unsere Gefühle zum Maßstab aller Dinge zu machen. Viele unserer Handlungen zielen darauf ab, uns besser zu fühlen. Das funktioniert zwar nie dauerhaft, doch wir halten an dieser Vorstellung fest. Würden wir sie loslassen, würden wir uns vermutlich öfter gut fühlen.

Buddha lehrte, dass zwei der Haupthindernisse auf dem Weg zur Erleuchtung Aversion und Verlangen sind.

  •  Aversion bedeutet die Ablehnung von allem, was unangenehm ist. Wir wollen uns von negativen Zuständen im Leben befreien und hegen eine Abneigung gegen Unangenehmes.
  • Auf der anderen Seite steht das Verlangen nach etwas, das wir bekommen möchten. Dies mündet in Gier. Wenn wir etwas haben, entsteht die Angst, es wieder zu verlieren. Also versuchen wir, es festzuhalten.

Das Ego wird von Aversion und Verlangen gesteuert: „Das mag ich nicht, das mag ich.“ Um diese Achse dreht sich sein Leben. Das Ziel dieses Spiels ist es, sich ständig gut zu fühlen.

Doch das Leben und die Wirklichkeit kümmern sich wenig um unser Ego. Angenehmes kommt und geht, Unangenehmes kommt und geht – das können wir grundsätzlich nicht ändern. Leben bedeutet Wandel, es umfasst Freude und Schmerz, Gewinn und Verlust.

Dadurch, dass wir Unangenehmes ablehnen und Angenehmes festhalten wollen, entsteht Leiden. Das Ego erzeugt dadurch Konflikte, Leid und letztlich sogar Krieg und Selbstzerstörung. Würden wir jedoch den Kreislauf des Kommens und Gehens – die Veränderung der Zustände – akzeptieren, wären wir frei.

Das lässt sich in der Meditation unmittelbar erfahren. Ein Schmerz im Knie, den wir ablehnen, wird zu einem großen Problem, das uns vollständig vereinnahmt. Unser gesamtes Gemüt wird von der Ablehnung gequält. Doch wenn wir es schaffen, den Schmerz als die Wirklichkeit des Moments anzunehmen, löst sich das dadurch erzeugte Leid auf. Der ganze Körper kann sich entspannen, die Energie beginnt wieder zu fließen. Oft verschwindet der Schmerz sogar von selbst. Bei unangenehmen Emotionen gilt dasselbe Prinzip.

Das bedeutet natürlich nicht, dass wir nicht gut für unsere Gesundheit und unser emotionales Wohlbefinden sorgen sollen. Es geht vielmehr darum, zu erkennen, wie sehr wir von diesen Mechanismen gesteuert und vereinnahmt werden. Dieses Erkennen in uns selbst ist bereits der erste und wichtigste Schritt zur Befreiung.