1.4. Erwachen in der Realität des Geistes
1.4. Erwachen in der Realität des Geistes
Der mystische Weg führt uns aus dem Halbschlaf- und Trancezustand des Alltagsbewusstseins heraus und lässt uns in der physischen und geistigen Wirklichkeit erwachen. In der Meditation erkennen wir die Realität. Gedanken mögen auftauchen, doch wir lassen sie unser Bewusstsein nicht übernehmen. Wir bleiben in der Wahrnehmung der Wirklichkeit verankert.
Ebene der Gedanken
Im Vipassana-Buddhismus (Einsichts-Buddhismus) werden die Aspekte des Gemüts in der Meditation erforscht. Dabei wird beispielsweise über die Frage ‚Was ist ein Gedanke?‘ kontempliert. Auf diese Weise erkennen wir die wahre Natur der Gedanken.
Buddha lehrt, dass Gedanken leer sind, ohne Substanz. Wenn wir kein Geben und Nehmen mit ihnen aufbauen, verschwinden sie so, wie sie gekommen sind.
Ebene der Gefühle
In der Meditation erkennen wir außerdem, dass hinter wiederkehrenden Gedanken oft Gefühle stehen. Sie sind das Feuer, das die Gedanken im Untergrund anheizt. Wenn wir bei der reinen Wahrnehmung der Empfindungen bleiben, lösen sich auch die Gefühle mit der Zeit auf.
Ebene des Geistes
Buddha lehrt uns, dass Gefühle und sogar Wahrnehmungen leer sind. Sobald wir auch die Gefühle loslassen, öffnen wir uns für die dritte Ebene – den Bereich des Geistes. In der Leere von Gedanken und Gefühlen beginnen wir allmählich, die geistige Atmosphäre wahrzunehmen.
Dies ist nicht immer angenehm. Oft müssen wir uns im Gebet durch eine Schicht unangenehmer Empfindungen bewegen.
Himmlische Ebene
Erst wenn wir diese Schicht geduldig durchdrungen haben, öffnet sich eine höhere Ebene für uns. Hier erleben wir eine helle, leichte und liebevolle Atmosphäre. Dies könnte man als das öffnen der himmlische Ebene bezeichnen. Diese Erfahrung ist immer ein Geschenk der Gnade Gottes.
Die Präsenz Gottes
Auf dieser Grundlage kann sich das Bewusstsein für die Präsenz Gottes eröffnen. In der Leere und Stille wird uns in einem überwältigenden Erlebnis bewusst, dass in der Leere nicht „Nichts“ ist, sondern Gott! Der leere Raum um uns herum und zugleich die Tiefe unseres Herzens eröffnen uns die Realität Gottes. Wir fühlen uns durchdrungen von Glückseligkeit und Liebe.
Auf diese Erfahrung werde ich am Ende der Darstellung des Prozesses noch einmal zurückkommen.
Die Notwendigkeit geistiger Empfindsamkeit für die Gotteserfahrung
Gott ist reiner Geist. Um ihn direkt zu erfahren, brauchen wir geistige Empfindsamkeit. Nur wenn wir für den Geist empfänglich sind, können wir die Präsenz Gottes bewusst erleben. Andernfalls bleibt es bloß ein mentales Wissen: ‚Ich weiß, dass Gott jetzt da ist.‘ Doch die Mystik sucht den realen Gott im Hier und Jetzt – frei von Konzepten und Fantasien.