6.3.2 AUFBAU UND FUNKTION DES GEISTIGEN SELBST
Unser Geistiges Selbst, auch Geistmensch genannt, ist eine substanzielle, aber nicht materielle Realität, die nur mit den geistigen Sinnen wahrgenommen werden kann. Es ist der Subjektpartner unseres Physischen Selbst. Unser Geistmensch kann direkt mit Gott kommunizieren und ist dafür angelegt, die Geistige Welt einschließlich der Engel zu regieren. In seiner Erscheinung entspricht unser Geistiges Selbst unserem Physischen Selbst. Nach Ablegen unseres Physischen Selbst leben wir ewig in der
Geistigen Welt. Das menschliche Sehnen nach ewigem Leben wurzelt im Innersten des Menschen, nämlich in dem zur Ewigkeit bestimmten Geistigen Selbst. Unser Geistiges Selbst besteht aus den polaren Wesenszügen geistiges Gemüt (Subjektpartner) und geistiger Körper (Objektpartner). Das geistige Gemüt ist der Kern des Geistigen Selbst, es ist der Ort, an dem Gott wohnt.
Das Geistige Selbst wächst durch Geben und Empfangen unter Aufnahme zweier Arten von Nährstoffen: Zum einen sind es die von Gott kommenden Lebenselemente des Yang-Typus, zum anderen die vom Physischen Selbst übermittelten Vitalitätselemente des Yin-Typus. Im Verhältnis zum Physischen Selbst empfängt das Geistige Selbst nicht nur diese Vitalitätselemente, es gibt auch ein Element an das Physische Selbst zurück, genannt Geistiges Element. Empfangen Menschen die Zuwendung
eines himmlischen Geistigen Selbst, so wirken viele positive Einfl üsse verändernd auf ihr Physisches Selbst; diese Menschen sprühen geradezu von grenzenloser Freude und fühlen neue Kräfte in sich aufsteigen, die sogar Krankheiten überwinden können. Solche Phänomene gibt es dann, wenn das Physische Selbst vom Geistigen Selbst Geistige Elemente übernimmt.
Das Geistige Selbst kann nur wachsen, solange es mit dem physischen Körper verbunden ist. Daher lässt sich die Beziehung zwischen Physischem Selbst und Geistigem Selbst auch mit der zwischen einem Baum und seiner Frucht vergleichen. Gehorcht das physische Gemüt dem geistigen Gemüt, und agiert das Physische Selbst entsprechend der Intention des geistigen Gemüts zum Guten, dann empfängt das Physische Selbst vom Geistigen Selbst Geistige Elemente und wird gesund.
In der Erwiderung leitet das Physische Selbst dem Geistigen Selbst gute Vitalitätselemente zu, die das Geistige Selbst befähigen, sich ordnungsgemäß in Richtung des Guten zu entwickeln.
Wahrheit eröffnet uns die Einsicht in die innersten Wünsche des geistigen Gemüts. Ein Mensch muss mit Hilfe der Erkenntnis der Wahrheit das tiefste Verlangen seines geistigen Gemüts begreifen, bevor er dieses Wissen in die Tat umsetzen und seine Verantwortung erfüllen kann. Nur unter dieser Voraussetzung können in ihm Geistige Elemente und Vitalitätselemente in einen Kreislauf eintreten und ihm somit Fortschritte auf dem Weg zum Guten ermöglichen. Das Geistige Element und das Vitalitätselement stehen zueinander wie Wesen und Gestalt. Weil jeder Mensch in sich die Wirkung von Geistigen Elementen erfährt, drängt das Ursprüngliche Gemüt sogar einen bösen Menschen zum Guten. Doch kann das Geistige Element nur dann in Geben und Empfangen mit Vitalitätselementen treten, also zu dessen Gesundung ins Physische Selbst einfl ießen, wenn der Mensch tatsächlich ein gutes Leben führt.
Aus dem Vorhergehenden wird deutlich, dass das Geistige Selbst eines Menschen nur während seines irdischen Lebens zur Vollkommenheit gelangen kann. Das geistige Gemüt leitet das Geistige Selbst, während es auf dem Boden des Physischen Selbst heranwächst. Das Wachstum des Geistigen Selbst zur Vollkommenheit vollzieht sich in der vom Schöpfungsprinzip vorgegebenen Ordnung der drei Wachstumsstufen. Ein Geistiges Selbst in der Gestaltungsstufe des Lebens heißt Formgeist,
in der Entwicklungsstufe heißt es Lebensgeist, in der Vollendungsstufe Göttlicher Geist.
Ein Geistiges Selbst reift als göttlicher Geist zur Vollendung, wenn sich Geistiges Selbst und Physisches Selbst eines Menschen durch vollkommenes, auf Gott ausgerichtetes Geben und Empfangen vereinigen und die Vier-Positionen-Grundstruktur bilden. Ein Göttlicher Geist kann jegliche in der geistigen Welt gegenwärtige Realität genau wahrnehmen und einordnen. Da diese geistigen Wirklichkeiten im Körper schwingen und sich in physiologischen Phänomenen ausdrücken, können sie durch die fünf physischen Sinne erkannt werden. Menschen Göttlichen Geistes, die im Einklang mit der Geistigen Welt schwingen, errichten das Himmelreich auf Erden. Nach dem Ablegen ihrer physischen Körper gehen sie in einem sanften Übergang ins Himmelreich der Geistigen Welt ein. Aus diesem Grund wird das Himmelreich im Jenseits erst dann Wirklichkeit, wenn das Himmelreich auf Erden errichtet ist.
Das gesamte Spektrum geistiger Empfänglichkeit eines Geistigen Selbst wird in der wechselseitigen Beziehung zum Physischen Selbst während des irdischen Lebens entwickelt. Daher kann ein Individuum als Geistmensch nach seinem Tod nur dann die vollständige Liebe Gottes genießen, wenn er zuvor auf Erden vollkommen geworden ist und Gottes Liebe in ihrer Fülle erfahren hat. Alle Qualitäten des Geistigen Selbst entwickeln sich in der Verbindung mit dem Physischen Selbst. Sündiges Verhalten während des Erdenlebens verursacht Hässlichkeit und Böses im Geistigen Selbst einer gefallenen Person. Eine im Verlauf ihres Erdenlebens gewährte Vergebung der Sünden dagegen bahnt einen Weg für das Geistige Selbst, auf dem es gut werden kann. Aus diesem Grunde musste Jesus zur Erlösung der sündigen Menschheit im Fleisch auf Erden erscheinen. Es ist für uns lebenswichtig, auf Erden ein gutes Leben zu führen. Jesus übertrug Petrus, der noch weiterhin auf Erden leben sollte, die Schlüssel zum Himmelreich33 und sagte: „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.”34 Die wesentlichen Ziele der Wiederherstellung müssen auf Erden verwirklicht werden.
Nicht Gott entscheidet, ob das Geistige Selbst eines Menschen nach seinem Tod in den Himmel oder in die Hölle eingeht; das hängt vom Verhalten des Menschen selbst ab. Menschen sind dazu geschaffen, nach dem Erlangen ihrer Vollkommenheit die Liebe Gottes in voller Intensität zu erleben. Wer auf Erden sündig handelt, verkrüppelt dadurch sein Geistiges Selbst und wird unfähig, die Liebe Gottes vollständig zu atmen. Ein solcher Geistmensch empfi ndet in der Nähe Gottes, der das Zentrum wahrer Liebe ist, große Qualen. Aus eigener Entscheidung wählen solche Geistmenschen die Hölle als ihren Aufenthaltsort, weit weg von Gottes Liebe.
Da das Geistige Selbst des Menschen nur auf dem Boden des Physischen Selbst wachsen kann, vollzieht sich die Vermehrung von Geistmenschen gleichzeitig mit der Vermehrung physischer Menschen während des Erdenlebens.
33 Mt 16,19
34 Mt 18,18