2.2 Phänomene in der Praxis

2.2 Phänomene in der Praxis

Wir haben uns nun mit den Modellen über das Geistige- und das Physische Gemüt und die Daynamiken beschäftigt. Im Folgenden wollen wir unsere Perspektive auf die tatsächlich im Menschen zu beobachtenden Phänomene lenken.

Thomas Schuh

2.2.1 Automatisches Denken kommt nicht vom menschlichen Geist

2.2.1 Automatisches Denken kommt nicht vom menschlichen Geist

Im Kapitel über das "gefallene Gemüt" wurde deutlich, dass das Physische Gemüt gegenüber dem Geistigen Gemüt zu dominant ist. Wie können wir dies praktisch verstehen?

Herkömmlicherweise ordnet man das Denken ausschließlich dem Geist zu. Dies ist jedoch nach meiner Einschätzung nicht immer der Fall. Auch das physische Gemüt kann Denkleistungen vollbringen, ähnlich wie bei hochentwickelten Tieren. Darüber hinaus ist das menschliche Gehirn höher entwickelt als bei allen Tieren und kann schon von daher höhere Denkleistungen vollbringen. Zudem hat der Mensch einen Geist. Durch das Denken des Geistes, lernt das Gehirn auch komplexe Denkvorgänge zu vollziehen. Im Gehirn werden durch wiederholtes Denken Strukturen mittels Synapsen geschaffen. Daher kann das menschliche Gehirn auch ohne Initiierung durch den Geist relativ komplexe Denkvorgänge vollziehen.

Erfahrungen bei der Meditation

Wenn Menschen zu meditieren beginnen, bemerken sie, dass der Verstand denkt, ohne dass sie es bewusst initiiert haben. Es laufen automatische Gedankenketten ab, die nicht gestoppt werden können. Oft sind die Menschen anfangs darüber schockiert, dass der Verstand so außerhalb ihrer Kontrolle funktioniert. Erst durch langes geistiges Training kommen wir in die Lage, zur Stille zu finden.

Automatisches Denken im Alltagsbewusstsein

Der Zustand unseres Alltagsbewusstseins, in dem wir nicht achtsam sind, ist aus meiner Sicht eine Trance. In dieser Alltagstrance ist ein Großteil unserer Aufmerksamkeit in unseren halbautomatischen Gedanken und Bilderwelt gebunden. Nur ein kleiner Teil ist in Kontakt mit der physischen und geistigen Wirklichkeit, in der wir uns in diesem Moment befinden. Dies wird im Kapitel über Bewusstseinszustände detailliert erklärt.

Durch die Übung der Achtsamkeit wird uns folgendes Phänomen bewusst. Wir hören z.B. ein Wort im Radio oder sehen ein Bild am Straßenrand, daraufhin wird eine Gedankenschleife oder ein Gedankenzug in Gang gesetzt. Wenn wir nicht achtsam sind, folgen wir in der Regel diesen Schleifen, oder springen bildlich auf den Gedankenzug auf. Hier ist keine bewusste Entscheidung getroffen worden, dass wir über das Thema nachdenken wollen. Der Verstand ist außerhalb der Kontrolle des Bewusstseins und somit außerhalb der Kontrolle unseres Geistes.

Die Folge dieses Zustandes

Wir wissen, dass unsere Gedanken unsere Gefühle und unsere Geisteshaltung beeinflussen. Daher ist es fatal, wenn dies außerhalb der Kontrolle unseres Geistes geschieht. Der Verstand und vor allem das automatische Denken können nur Wissen und Erfahrungen aus der Vergangenheit aufgreifen.

Wenn wir also unbewusst diesen Gedankenschleifen folgen, wiederholen wir die Vergangenheit. Ein bewusstes unvoreingenommenes Erleben, oder offenes Handeln aus dem Herzen ist in diesem Zustand nicht möglich.

Thomas Schuh

2.2.2 Interaktions- und Reaktionsmuster können nicht lieben

2.2.2 Interaktions- und Reaktionsmuster können nicht lieben

Nicht nur das automatische Denken ist ohne die Initiierung durch unseren Geist möglich. Auch die zwischenmenschlichen Reaktionen, die mittels unbewusster Interaktions- und Reaktionsmuster gesteuert werden, können ohne Zutun des Geistes ablaufen.

Wenn wir uns in der Alltagstrance befinden, können zwischenmenschliche Erlebnisse leicht alte Erfahrungen in uns antriggern. Unsere unbewussten Muster, die in unseren Lebenserfahrungen, vorwiegend in den ersten Lebensjahren, geprägt wurden, werden aktiv. Besonders deutlich wird dies bei negativen Erfahrungen. In Bruchteilen von Sekunden werden die alten Interpretationen, Projektionen wach und lösen negative Gefühle und dementsprechende Reaktionen aus. Im Extremfall können andere Menschen dadurch verletzt und Beziehungen gänzlich zerstört werden.

Auch wenn die Muster in positiven Erfahrung geprägt wurden und positive Reaktionen hervorrufen, fehlt das entscheidende Element: die Liebe. Das Physische Gemüt kann nicht lieben.

Thomas Schuh

Without a spirit mind we would be unable to connect to the spirit world or to true love.

P. 689, par. 7 - P. 691, par. 1

Das Herz, von dem die Impulse der Liebe ausgehen, ist ein spiritueller Aspekt mit Sitz im Zentrum des Geistigen Gemüts.

Das Physische Gemüt kann zwar instinktiv nach dem Muster der Liebe handeln, jedoch hat es keinen Zugang zu der kosmischen Kraft der wahren Liebe. 

Beispielsweise kümmern sich viele Tiermütter unter Einsatz ihres Lebens um ihre Jungen. Genauso existiert im Physischen Gemüt ein Programm, das Eltern instinktiv nach dem Modell der wahren Liebe handeln lässt. Dieses instinktive Verhalten kann auch ohne das aktive geistige oder spirituelle Herz ausgeführt werden.

Beziehungen sollten nicht unbewusst aus Mustern gelebt werden

Beziehungen sind das Wertvollste im menschlichen Leben und laut dem Göttlichen Prinzip besteht der Schöpfungszweck darin, Freude durch das Geben und Empfangen von Liebe zu verwirklichen. Daher sollten Beziehungen aus dem Herzen heraus, mit wahrer Liebe gestaltet werden.

Da bei den meisten Menschen das Geistige Gemüt und das Herz inaktiv sind, übernimmt das Physische Gemüt durch Interaktions- und Reaktionsmuster die Abläufe in zwischenmenschlichen Beziehungen. Dies entspricht aus meiner Sicht nicht dem Modell wie Gott uns geplant hat. Anders ausgedrückt ist dies eine Fehlfunktion, die korrigiert werden sollte.

Es ist daher nötig, dass der Mensch aus der Alltagstrance erwacht und achtsam wird. Zudem müssen das Geistige Gemüt und das Herz wieder aktiv werden, damit der Mensch aus dem Herzen heraus leben kann. Es muss sozusagen zuerst der geistige Zustand verändert werden und die physische Steuerung unserer Interaktion wieder in eine bewusste geistige Steuerung überführt werden.

Mit geistiger Steuerung meine ich nicht die Selbstkontrolle durch Verstand und Willen, sondern die Steuerung des innersten Kern des Menschen und dem Zentrum des Geistes, dem Herzen. Um dies zu erlangen, muss zuerst das Geistige Gemüt erweckt werden, damit die Verlangen des Geistigen Gemüts wieder fühlbar werden. Zudem braucht es ein Öffnen und Reaktivieren des Herzens.