2.3.1 Phase 2: Die Vertiefung
Wenn wir die erste Phase durchlaufen haben, werden wir weitere Veränderungen erleben. Diese Phase nenne ich Vertiefung.
In der ersten Phase sind viel Eigenmotivation und Selbstdisziplin nötig, um durchzuhalten, da wir die Veränderung noch kaum bewusst wahrnehmen.
In der Phase der Vertiefung hingegen werden wir mit neuen Erfahrungen belohnt – die Veränderung beginnt substanziell zu werden.
Momente des Öffnens während der Meditation
Du wirst während der Meditation Momente des Öffnens erleben.
Es beginnt damit, dass du geerdet bist und für eine Weile in der Wahrnehmung der Wirklichkeit verweilen kannst.
Dann geschieht plötzlich ein sich-öffnen – ein Moment der Bewusstwerdung:
„Ach, ich bin da.“
Plötzlich fühlt sich alles leichter und entspannter an. Dies ist ein sehr angenehmer Moment – ein Ankommen im Da-Sein im Hier und Jetzt.
Solche Erfahrungen sind der Beginn einer tieferen Öffnung.
Dieser Zustand entsteht nicht durch Anstrengung – er geschieht von selbst. Es ist eine Gnade, solche Momente zu erfahren.
Meist treten sie nicht direkt zu Beginn der Meditation auf, sondern erst nach 15, 20 oder 30 Minuten. Dadurch entstand in mir ganz natürlich der Wunsch, länger zu meditieren
2.3.2 Die Entwicklung von geistiger Empfindsamkeit
In dieser Phase entfaltet sich allmählich unsere geistige Empfindsamkeit oder Sensitivität.
Um Gottes Präsenz gewahr zu werden, benötigen wir eine Art geistige Wahrnehmung.
Gott ist reiner Geist und kann nicht direkt durch unsere physischen Sinne erfasst werden. Stattdessen werden wir seiner Präsenz durch unsere geistigen Sinne bewusst.
Geistige Sensitivität öffnet uns den Zugang zu unserem eigenen Geist und zum Bereich des Geistes. Wir beginnen, die Atmosphäre eines Menschen oder eines Raums zu spüren. Zudem wird uns bewusst, dass wir selbst Geist oder Seele sind und unser Geist in einer geistigen Umgebung lebt.
Wir beginnen, die Gefühle hinter den Gedanken zu erkennen
In der Meditation werden wir uns zunächst unserer Gedanken bewusst.
Wenn wir tiefer gehen, spüren wir auch die Gefühle, die hinter den Gedanken liegen. Wir erkennen, dass wiederkehrende Gedanken von tieferliegenden Emotionen angetrieben werden.
Dies ist bereits ein bedeutender Schritt in die Tiefe.
Gleichzeitig kann dies eine hilfreiche Übung sein: Während Gedanken auftauchen, können wir uns fragen, welche Atmosphäre sie haben.
Wir können versuchen, die Stimmung zu fühlen, die sie verbreiten. Auf diese Weise beginnen wir, die zugrunde liegenden Gefühle und deren Energie wahrzunehmen.
Später werden wir uns auch der geistigen Atmosphäre bewusst.
Wir erleben uns in einer geistigen Umgebung und erkennen den Einfluss, den sie auf unsere Gefühle hat. Durch längere Meditation und Gebet verändert sich diese Umgebung allmählich – sie wird freier, leichter, lichter und liebevoller.
2.3.3 Unterscheidung: Geistige Empfindsamkeit und geistige Offenheit
Geistige Empfindsamkeit ist etwas anderes als geistige Offenheit – und diese Unterscheidung ist von großer Bedeutung.
Während geistige Offenheit gefährlich sein kann, ist geistige Empfindsamkeit heilsam.
Erfahrungen mit geistiger Offenheit
Als ich in meiner Jugend das erste Buch über die geistige Welt gelesen hatte, wollte ich sie selbst erfahren.
Für mich war es immer wichtiger, Dinge selbst zu erleben, anstatt nur Geschichten oder Theorien zu lesen. Also entschied ich mich für ein Experiment:
Am Abend setzte ich mich mehrere Stunden lang in einen dunklen Raum und versuchte, die geistige Welt wahrzunehmen. Ich sprach mit den Geistern und bat sie, sich mir zu zeigen. Nachdem ich das einige Wochen getan hatte, begannen eigenartige Erlebnisse:
Beim Einschlafen konnte ich meinen Körper plötzlich nicht mehr bewegen – eine Erfahrung schlafparalytischer Lähmung. Ich versuchte zu schreien, doch es war unmöglich. Erst nach einigen Sekunden kehrte die Kontrolle zurück.
Manchmal hörte ich eine Stimme, die sagte: „Jetzt bin ich da.“ Auch untertags verspürte ich oft seltsame, unangenehme Gefühle in unserer Wohnung – so intensiv, dass ich sie manchmal verlassen musste.
Daraufhin schlug meine Mutter vor, zu einem Medium zu gehen.
Die Dame fragte uns, zu wem wir in der geistigen Welt eine gute Verbindung hätten, der mir helfen könnte. Mein Urgroßvater war ein Mensch, den wir beide liebten und schätzten. Nachdem sie ihn gerufen hatte, spürten meine Mutter und ich gleichzeitig eine überwältigende Präsenz.
Es war, als würde man die Atmosphäre eines Menschen intensiv wahrnehmen – nur um ein Vielfaches verstärkt. Der ganze Raum war von seiner Gegenwart erfüllt.
Diese Erfahrung machte mir zwei Dinge unmissverständlich klar:
- Die geistige Welt existiert mit Sicherheit.
- Es ist kein gutes Ziel, geistig offen zu werden – im Gegenteil, es kann sehr gefährlich sein.
Nach einiger Zeit verschwanden diese Phänomene wieder. Ich stieß dann auf die Zen-Meditation, die mich stark erdete. Reine Achtsamkeitsmeditation führt genau in die entgegengesetzte Richtung: Sie verankert uns zuerst im physischen Körper.
Die geistige Sensitivität, die sich auf diesem Weg langsam entwickelt, wächst auf dem soliden Fundament einer verbesserten Einheit von Geist und Körper.
Dies ist gesund, stabilisierend und führt uns letztendlich zum wahren Ziel – in Resonanz mit der Liebe Gottes zu gelangen.
Eine erste Ahnung davon hatte ich bereits in meiner beschriebenen Erfahrung mit dem Selbsterinnern bekommen – einem Moment des Erwachens in Lebendigkeit und Glückseligkeit.
2.3.4 Kleine Erleuchtungen
In der Phase der Vertiefung können bereits kleine Erleuchtungserfahrungen auftreten. Im Zen-Buddhismus werden sie auf Japanisch Kenshō genannt. Christliche Mystiker sprechen in solchen Fällen von Erleuchtungen oder geistigen Einsichten.
Diese Erkenntnisse haben eine andere Qualität als rein intellektuelle Einsichten, die durch das Verstehen von Inhalten und Zusammenhängen entstehen.
In ihrer Klarheit übersteigen sie den Intellekt bei Weitem.
Geistige Wahrheit kann nicht allein mit dem Verstand erfasst werden. Sie wird durch geistige Erleuchtung vermittelt – so lautet das christliche Verständnis, und so entspricht es auch meiner persönlichen Erfahrung.
Solche Erleuchtungen sind ein plötzliches Gewahrwerden geistiger Wirklichkeit.
Sie geschehen häufig während der Meditation, können aber ebenso gut in alltäglichen Situationen auftreten. Solche Erfahrungen berühren uns zutiefst in unserem Wesen – manchmal bis zu Tränen oder emotionaler Überwältigung.
Beispielsweise hatte ich während meiner morgendlichen Gymnastik – für mich zugleich eine Achtsamkeitsübung – eine Kenshō-Erfahrung.
In bisher nie erlebter Klarheit wurde mir bewusst, dass ich nicht der Denker in mir bin. Ich bin etwas ganz anderes – das, was im Buddhismus als wahres Wesen bezeichnet wird. Im gewöhnlichen Bewusstsein sind wir vollständig mit unserem Denken, Fühlen und Wollen identifiziert.
Ich wusste das bereits seit 30 Jahren – aber diese Erfahrung des erweiterten Bewusstseins war in ihrer Intensität völlig neu für mich.
Über Erleuchtungen dieser Art und ähnliche Erfahrungen werde ich später noch mehr berichten.