2.9. Phänomen 6: Einheit mit Gott

Gott wird in dir geboren

Nun möchte ich eine Erfahrung schildern, in der mir Gott einen Vorgeschmack auf das letztendliche Ziel gegeben hat.

Es war im Grunde keine spektakuläre Erfahrung, wie man vielleicht erwarten würde. Nach einer langen Dürrephase im Gebet entwickelte sich ein leises Gefühl in meinem Herzen. Es war keine gewöhnliche Emotion, sondern eher eine spirituelle Vibration. Diese Schwingung löste ein Gefühl der Liebe aus – sobald ich einem Menschen begegnete oder sogar, wenn ein Insekt über meinen Arm krabbelte. Das Besondere daran war, dass diese Empfindung nicht aus mir selbst kam. Es war etwas, das nicht „ich“ bin, und doch war es im Innersten meiner selbst zu spüren.

Es war nicht unangenehm, dass es nicht von mir kam. Im Gegenteil – ich fühlte, dass es die größte Wertschätzung war, dass diese Liebe in mir ihren Wohnort gefunden hatte. Ein Gefühl: „Gott ist in mir eingezogen.“ Ja fast, „Ich bin Gott“, wie Sun Myung Moon es ausdrückt. Doch dieses Gefühl war mit größter Demut und Dankbarkeit verbunden. Jede kleinste Spur von Überheblichkeit des Egos hätte es sofort zerstört.

Jeder Moment des Lebens war fantastisch. Das einzige Problem, das sich daraus ergab, war: Wie kann ich diese Liebe jemandem geben? Am liebsten hätte ich die Menschen auf der Straße umarmt. Dann versuchte ich, sie durch ein freundliches Wort weiterzugeben. Doch alles erschien mir zu wenig, ja lächerlich wenig.

Dieses spirituelle Gefühl hielt einige Wochen an. Es war wie eine kleine Flamme, die im Innersten meines Herzens stetig brannte. Sehr deutlich wurde, dass diese Vibration der Liebe schnell erlosch, sobald ich mich in Gedanken verlor. Um sie aufrechtzuerhalten, musste ich also achtsam bleiben. Der ganze Tag wurde zu einer Meditation, einem immerwährenden Gebet – einem Lied der Liebe, das ständig spielte.

Obwohl diese Erfahrung nicht so spektakulär erscheint, würde ich sie nicht gegen emotional überwältigende mystische Erlebnisse eintauschen. Diese Erfahrung war vollkommen geerdet und in jedem Moment auf Nächstenliebe ausgerichtet. Sie inspirierte mich ständig dazu, Liebe zu geben, ohne mich zu drängen. Es war einfach die größte Freude, zu lieben.