Der Zustand der Menschheit

Der Zustand der Menschheit

Wenn wir den Zustand der Menschheit betrachten, ist es kaum vorzustellen, dass wir das menschliche Potential schon entfaltet haben.

Wir sehen überall Konflikte, die in gewaltsamen Auseinandersetzungen eskalieren. Menschen verhungern, obwohl genug zu essen für jeden vorhanden ist. Die Gier einzelner führt so weit, dass ganze Nationen und Gesellschaften in den Ruin getrieben werden. Diese Liste könnte man lange fortführen.

Geht man den einzelnen Themen auf den Grund, landet man immer bei dem scheinbar mangelhaften Charakter einzelner verantwortlicher Menschen. Jeder stößt sich an der unverhältnismäßigen Macht- und Geldgier einzelner, wenn sie ohne Rücksicht auf das Allgemeinwohl ihren eigenen Vorteil durchsetzen. Wären überall charakterstarke, anständige Menschen in verantwortlichen Positionen, dann würde es keine Korruption geben.

Wir alle sind mit diesem Zustand nicht zufrieden.

Manche Businessphilosophien behaupten: "Das Ego der Manager ist das Problem". Wir wollen jedoch hier nicht einzelne Gesellschaftschichten stigmatisieren. Im Grunde sind wir alle mehr oder weniger Mittäter in einem System. Wir könnten auch behaupten "Das Ego der Menschen ist das Problem".

Stehen wir nicht alle in dem inneren Konflikt zwischen unserem eigenen Wohl und dem Gemeinwohl? Anders ausgedrückt, in uns allen besteht der Konflikt zwischen der Befriedigung unserer eigenen Bedürfnisse und der unserer Mitmenschen. Wenn wir auch die Mitmenschen mit einbeziehen, die in Afrika hungern, die durch unsere Waffenindustrie zu Invaliden werden, und denen durch unseren Konsum der Lebensraum entzogen wird, dann ist das Spannungsfeld unerträglich.

Die meisten blenden wohl die großen Spannungsfelder weitgehend aus und konzentrieren sich nur auf das nächste Umfeld, wo Menschen in ähnlicher Situation sind und die Spannung nicht so extrem ist. Hier hilft die Unterhaltungsindustrie, sich ein Leben lang erfolgreich von dem Konflikt abzulenken.

Lösungsversuch durch den Verzicht auf Ehtik

Manche versuchen, diesen Konflikt zu lösen, indem sie ihren Anspruch an eigenes ethisches Verhalten auf nahezu Null reduzieren. Dies führt jedoch genau zu dem Zustand, an dem wir uns stoßen und im Extrem zur Anarchie.

Menschen, die extrem auf Kosten anderer leben, versuchen eine Distanz aufbauen, so dass sie die Folgen für andere Menschen nicht wahrnehmen müssen. Langfristig werden sie innerlich verhärtet. Es ist nicht möglich mit einem offenen Herzen, ständig gegen sein Gewissen zu handeln.

Anfangs ist es vielen noch möglich, sich selektiv zu öffnen. Beispielsweise im Geschäftsleben erbarmungslos auf Kosten anderer den eigenen Erfolg durchzusetzen und zuhause liebevoller Vater oder liebevolle Mutter zu sein. Auf Dauer werden skrupellose Geschäftsleute aber auch irgendwann zu ihrer eigenen Familie lieblos. Dieses Phänomen konnte ich auch in meiner Tätigkeit als Familientherapeut beobachten.

Überzogener Egoismus ist ein Zeichen für einen mangelnden Reifezustand

Im Grunde zeigt uns ein überzogener Egoismus einen mangelnden menschlichen Reifezustand. Dies ist unabhängig von IQ, Bildungsstand und gesellschaftlicher Position.

Säuglinge sind maximal egoistisch, sie sind nur auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse bedacht. Sie sind jedoch auch gleichzeitig offen und können die Liebe der Eltern empfangen. Dies ist in dieser Phase ein gesunder und stimmiger Zustand.

Werden Kinder älter und entwickeln ihre Fähigkeiten und ihren Charakter, erwartet man natürlicherweise, dass sie ihre Fähigkeiten für die Gemeinschaft einsetzen. Der Mensch entwickelt ein Verantwortungsgefühl, Empathie und einen Sinn für das Gemeinwohl. Er wird tendienziell ein Stück selbstloser. Dies ist ein Reifungsprozess, der mit dem Erwachsen-werden nicht enden sollte.

Bleibt der Mensch egoistisch, auch nachdem er seine Fähigkeiten entwickelt hat, ist das nicht mehr altersgerecht und stimmig. Die Entwicklung der Fähigkeiten hat die charakterliche Reife überholt.

Je älter ein Mensch wird, desto großer wird natürlicherweise seine gesellschaftliche Verantwortung. Hier sollte der Reifungsprozess immer weiter gehen und der Mensch immer wertvoller für das Allgemeinwohl werden.

Die Überwindung der menschlichen Habgier erfordert demnach einen inneren Reifungsprozess. Vielfach liegt einen oft verborgene Existenz- und Verlustangst zugrunde. Diese kann nur durch die Entwicklung eines Urvertrauens gelöst werden. Mangelndes Selbstwertgefühl wird häufg durch Statussymbole und Machtausübung kompensiert. Ein ungenügender Zugang zu unserem innersten Wesen verhindert die Befriedigung unser tiefsten menschlichen Bedürfnisse. Oft versuchen Menschen durch ständige materielle Anschaffungen eine kompensatorische Befriedigung zu erlangen.

Die globalen Probleme der Menschheit sind nur zu lösen, wenn wir alle ein Stück selbstloser werden.

Die Menschheit hat keine andere Wahl. Es gibt nur eine Möglichkeit auf diesem Planeten mit begrenzten Ressourcen und Lebensraum in Frieden zusammen zu leben und dies ist, wenn wir Menschen selbstloser werden. Wenn wir nicht mehr Verantwortung übernehmen und an das Wohl des Ganzen denken, werden Konflikte immer wieder eskalieren. Konfliktlösungen werden immer wieder an den Stellen scheitern, wo die Konfliktparteien Zugeständnisse für das Gemeinwohl machen müssten. Das zeigt sich auf allen Ebenden der menschlichen Gesellschaft. Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir einen globalen Konsens über diese Tatsache hätten.

 

Thomas Schuh