2.6.b Meine Betrachtung: Wahres Wesen und Ego

Wir sind das wahre Selbst und haben ein Ego. Das Ego entsteht aus dem Verhaftetsein in unserem persönlichen, individuellen Denken, Fühlen und Wollen – sowie aus unseren persönlichen Wünschen und Bedürfnissen. Dieses Konstrukt von „Selbst“ und „Ich“ ist so stark, dass es uns schwerfällt, uns davon zu lösen. Doch genau dieses Loslassen oder Erweitern unseres Bewusstseins ist notwendig, um unser ursprüngliches Wesen zu erkennen und zu befreien. Es ist notwendig, um uns für Gott zu öffnen.

In der Mystik nähern wir uns diesem Phänomen in neuer Tiefe. Wir erkennen, dass das Problem darin besteht, dass wir uns zunächst vollständig mit unserem persönlichen Denken, Fühlen und Wollen identifizieren – doch dies macht nur den oberflächlichen Teil unseres Wesens aus. Durch mystische Praxis löst sich diese Identifikation langsam auf.

Dieser Prozess geschieht schrittweise durch Meditation und Achtsamkeit. In der Meditation nehmen wir Gedanken und Gefühle wahr, lassen unser Bewusstsein jedoch nicht von ihnen einnehmen. Unser Bewusstsein erweitert sich auf den Bereich unseres Wesens, der jenseits von Denken, Fühlen und Wollen liegt. Eine interessante Frage lautet: Was sind wir, wenn wir nicht unser persönliches Denken und Fühlen sind? Was bleibt von uns, wenn Denken, Fühlen und Wollen den Nullpunkt erreichen? Diese Frage führt uns zu unserem wahren Selbst.

Solange wir uns noch mit diesem individualistischen Selbst identifizieren, können wir Gott in uns nicht wirklich erkennen.

© BLI - Thomas Schuh 2025