Im Kapitel über das "gefallene Gemüt" wurde deutlich, dass das Physische Gemüt gegenüber dem Geistigen Gemüt zu dominant ist. Wie können wir dies praktisch verstehen?
Herkömmlicherweise ordnet man das Denken ausschließlich dem Geist zu. Dies ist jedoch nach meiner Einschätzung nicht immer der Fall. Auch das physische Gemüt kann Denkleistungen vollbringen, ähnlich wie bei hochentwickelten Tieren. Darüber hinaus ist das menschliche Gehirn höher entwickelt als bei allen Tieren und kann schon von daher höhere Denkleistungen vollbringen. Zudem hat der Mensch einen Geist. Durch das Denken des Geistes, lernt das Gehirn auch komplexe Denkvorgänge zu vollziehen. Im Gehirn werden durch wiederholtes Denken Strukturen mittels Synapsen geschaffen. Daher kann das menschliche Gehirn auch ohne Initiierung durch den Geist relativ komplexe Denkvorgänge vollziehen.
Erfahrungen bei der Meditation
Wenn Menschen zu meditieren beginnen, bemerken sie, dass der Verstand denkt, ohne dass sie es bewusst initiiert haben. Es laufen automatische Gedankenketten ab, die nicht gestoppt werden können. Oft sind die Menschen anfangs darüber schockiert, dass der Verstand so außerhalb ihrer Kontrolle funktioniert. Erst durch langes geistiges Training kommen wir in die Lage, zur Stille zu finden.
Automatisches Denken im Alltagsbewusstsein
Der Zustand unseres Alltagsbewusstseins, in dem wir nicht achtsam sind, ist aus meiner Sicht eine Trance. In dieser Alltagstrance ist ein Großteil unserer Aufmerksamkeit in unseren halbautomatischen Gedanken und Bilderwelt gebunden. Nur ein kleiner Teil ist in Kontakt mit der physischen und geistigen Wirklichkeit, in der wir uns in diesem Moment befinden. Dies wird im Kapitel über Bewusstseinszustände detailliert erklärt.
Durch die Übung der Achtsamkeit wird uns folgendes Phänomen bewusst. Wir hören z.B. ein Wort im Radio oder sehen ein Bild am Straßenrand, daraufhin wird eine Gedankenschleife oder ein Gedankenzug in Gang gesetzt. Wenn wir nicht achtsam sind, folgen wir in der Regel diesen Schleifen, oder springen bildlich auf den Gedankenzug auf. Hier ist keine bewusste Entscheidung getroffen worden, dass wir über das Thema nachdenken wollen. Der Verstand ist außerhalb der Kontrolle des Bewusstseins und somit außerhalb der Kontrolle unseres Geistes.
Die Folge dieses Zustandes
Wir wissen, dass unsere Gedanken unsere Gefühle und unsere Geisteshaltung beeinflussen. Daher ist es fatal, wenn dies außerhalb der Kontrolle unseres Geistes geschieht. Der Verstand und vor allem das automatische Denken können nur Wissen und Erfahrungen aus der Vergangenheit aufgreifen.
Wenn wir also unbewusst diesen Gedankenschleifen folgen, wiederholen wir die Vergangenheit. Ein bewusstes unvoreingenommenes Erleben, oder offenes Handeln aus dem Herzen ist in diesem Zustand nicht möglich.