2.1.7 Die Dominanz des Physischen Gemüts

Es kann nicht immer klar zwischen Physischem und Geistigem getrennt werden. Vor allem in den westlichen Kulturen wird tendenziell dem Bereich des Geistes zu viel zugeordnet. In manchen Philosophien wurde sogar der Geist mit Verstand gleichgesetzt. Wenn man die Erläuterungen von Sun Myung Moon im Sinne unserer westlichen Kultur versteht, wird man lediglich die Einheit von Verstand, Willen und Körper suchen. Das muss unweigerlich in Frustration enden.

Die Erkenntnis und Chance

Um an unserer geistigen Entwicklung zu arbeiten, ist es wichtig zu erkennen, dass der Mensch mehr physisch funktioniert und der Geist eine viel geringere Rolle spielt als wir herkömmlich annehmen. Unser physisches Gehirn vollbringt tagtäglich großartige Leistungen, die kaum zu überschätzen sind.

Es mag für spirituelle Menschen unangenehm oder sogar bedrückend sein, wenn sie feststellen, dass einige Aspekte ihres Denkens, Fühlens und Wollens vom physischen Gemüt stammen. Jedoch liegt gerade in dieser Erkenntnis eine große Chance, die eine schnellere Entwicklung ermöglicht.

Die Grenze der Psychotherapie

Wie viele Menschen versuchen verzweifelt ihre Vergangenheit aufzuarbeiten, machen aber nur mäßige Fortschritte? Menschen, die durch ihre Geschichte schwer belastet sind, können sich kaum von dem Schmerz und der negativen Wirkung ihrer Vergangenheit befreien. Da ich selbst 17 Jahre psychotherapeutisch tätig war und auch selbst viele Therapien für meine persönlichen Themen in Anspruch genommen habe, kann ich hier aus eigener Erfahrung sprechen. Moderne Psychotherapie leistet Großes, um Menschen aus der Krise zu helfen. Das große Potential des Menschen liegt jedoch in seinem Geist und kann nur durch Spiritualität geborgen werden.

Aus meiner Sicht ist die Situation, die wir im Menschen vorfinden, das Resultat eines unterentwickelten Geistigen Gemüts und eines verschlossenen, inaktiven Herzens. Durch die weitgehende Inaktivität des Geistigen Gemüts hat das Physische Gemüt Aufgaben des Geistigen Gemüts übernommen. Hier noch einmal die Liste von Aspekten, die ich dem physischen Gemüt zuordne.

  • Triebe
  • Konditionierungen
  • Instinktives Verhalten
  • Motorische Abläufe
  • Automatisches Denken (Denken das ohne bewusste Entscheidung geschieht)
  • Gewohnheitsmäßiges Verhalten
  • Zwischenmenschliche Interaktions- und Reaktionsmuster
  • Im Körper gespeicherte Gefühle (Im Sinne von Bioenergetik)
  • Affekte

Dies macht sehr deutlich, dass viele Bereiche, die Psychotherapien zu verändern versuchen, im Bereich des Physischen Gemüts liegen. Ohne dass jedoch das Geistige Gemüt und das Herz wieder aktiv werden, kann der Mensch nicht im ursprünglich von Gott gedachten Sinne gesund werden. Nur die Erfahrung wahrer Liebe, im realen Kontakt zu Gott, kann die letztendliche Heilung des Menschen vollbringen.

Dies heißt nicht, dass psychotherapeutische Methoden nicht sehr hilfreich sein können. Gerade um in Kontakt mit seinen Herzen zu kommen, können sie auf dem spirituellen Weg begleitend helfen. Dies wird später im Kapitel über das Gemüt und Herz ausführlich behandelt.

Die Erkenntnis und gläubige Menschen

Viele Gläubige kämpfen tagtäglich darum, ein besserer Mensch zu werden, indem sie daran arbeiten, ihr Verhalten zu verbessern. Der Versuch jedoch, sich im Zustand der Dominanz des Physischen Gemüts, hin zu einem selbstlosen Menschen zu disziplinieren, ist, wie wenn man versucht, ein Auto durch Anschieben auf 100 km/h zu bringen.

Zuerst das Problem der physischen Dominanz in sich zu erkennen und mit diesem Bewusstsein daran zu arbeiten, das Geistige Gemüt und Herz zu erwecken, ist wie den Motor zu starten (anstatt zu schieben). Werden die geistigen Verlangen wach, sind wir von innen, aus Freude zum geistigen Leben, zu Fortschritten getrieben. Wir werden dann, von der tiefen inneren Freude und Sehnsucht, auf die 100 km/h beschleunigt.

© BLI - Thomas Schuh 2023