Da ich ein Mönch war, meineich, ich müste verloren sein, wenn ich eine fleischliche Begierde fühlte, das ist Unkeuschheit,Zorn Haß,Neid und dergleichen wieder einen Bruder. Da versuchte ich manchertei, beichtete alle Tage, und half mich doch nichts; denn derselben Begieden kamen immer wieder.
Daher konnte ich nicht zufrieden sein, sondern marterte mich für und für mit solchen Gedanken: Siehe, da hast du die und dieSünde getan .. Darum hilft dies nicht, daß du den heiligen Orden angenommen hast, alle deine guten Werke sind verloren. - „Die größte Anfechtung des Teufels ist die, dass er sagt: Gott ist den Sündern Feind,du bist ein Sünder, darum ist dir Gott Feind. Machen wir da nicht den Unterschied, das Gott nur den Unbußfertigen Feind ist . . . so liegt das Gewissen überwunden darnieder und verzweifelt - „Sobald das Gewissen hört: dem Gesetz muß genug geschehen, und es muß gehalten werden, so sagts und schleußt von Stund an: Du mußt es halten oder bist vedammt, du hast es nicht gehalten, kannst es nicht halten... Da hebt sich dann eine ewige Angst und Marter im Gewissen an... Die Worte: gerecht und Gottes Gerechtigkeit waren mir in meinem Gewissen wie ein Donnerschlag. — Wir haben vor dieser Zeit im Papsttum geschrieen um die ewige Seligkeit und das Reich Gottes; wir haben gesucht und angeklopft Tag und Nacht. Und ich selbst, wo ich nicht durch den Trost des Evangeliums Christi wäre erlöst worden, so hätte ich nicht zwei Jahre leben können, also zermarterte ich mich, und floh vor dem Zorn Gottes, und mangelte auch an Tränen und Seufzer nicht. Wir richten aber damit nichts aus. — Ein Mönch mit seinen Messen, bei der Menge seiner Werke, wird entweder hochmüthig oder er verzweielt.
Hier erfahren wir von Luthers verzweifeltem inneren Kampf, durch Askese zu Gott zu gelangen. Die Askese ist jedoch lediglich die äußere Praxis der Mystiker.
Wo jedoch der innere Weg fehlt, das Herz für Gott zu öffnen, führt dies entweder zu Verzweiflung oder Hochmut. Ein Ordensbruder weist Luther später auf den vergebenden Aspekt Gottes hin. Dadurch öffnet er sich dem Bewusstsein der göttlichen Gnade, die zu einem seiner zentralen Grundsätze wird.
Für die heutige mystische Praxis können wir daraus lernen, dass alle äußeren Anstrengungen – seien es asketische Übungen oder Aktivitäten – ohne den inneren Weg der Herzensöffnung entweder zu Hochmut oder Verzweiflung führen. Verzweiflung entsteht, weil wir Gott durch menschliche Anstrengung allein nicht finden können und somit im wesentlichen Ziel der Religion scheitern.
T. Schuh